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Was gibt es neues im Bereich der Psychologie, der Forschung über ADHS und ASS, der psychischen Gesundheit und des Lernens und der Ausbildung? In diesem Blog sammle ich Artikel über diese Themen.

Aus der Forschung: ADHS-Medikamente kann Sterblichkeitsrate reduzieren

Eine schwedische Studie (veröffentlicht im JAMA Network) zeigt, dass die medikamentöse Behandlung von ADHS die Sterblichkeitsrate signifikant senken kann.

Die Studie untersuchte fast 150.000 Personen mit ADHS und fand heraus, dass diejenigen, die innerhalb von drei Monaten nach der Diagnose Medikamente einnahmen, ein geringeres Sterblichkeitsrisiko hatten. Besonders auffällig war die Reduktion von Todesfällen durch unnatürliche Ursachen wie Unfälle und Suizid.

Dies unterstreicht die Bedeutung einer rechtzeitigen Diagnose und Behandlung von ADHS, nicht nur zur Verbesserung der Lebensqualität, sondern auch zur Verlängerung der Lebensdauer.

Psychologie Heute: «Mythos Generationen: Eine kritische Betrachtung»

Die Einteilung in «Millennials», «Gen Z» und «Boomer» ist willkürlich und dient oft kommerziellen Interessen. Hannes Zacher kritisiert in einem Blog von «Psychologie Heute», dass diese Kategorien weder theoretisch fundiert noch methodisch nachweisbar sind. Studien zeigen keine signifikanten Unterschiede zwischen den sogenannten Generationen. Stattdessen entstehen Stereotype, die zu umgekehrter Altersdiskriminierung führen können.

Was ist die Alternative?
Wir sollten uns auf individuelle Unterschiede und gemeinsame Wünsche wie Autonomie und gute Beziehungen konzentrieren. Der vermeintliche Fachkräftemangel resultiert nicht aus «Arbeitsunlust» der Jugend, sondern aus besseren Verhandlungspositionen.

Lasst uns den Fokus auf das legen, was wirklich zählt:
-> Einzigartigkeit und
-> Entwicklungspotenzial jedes Einzelnen.

Link zum ganzen Artikel (Psychologie Heute): https://www.psychologie-heute.de/gesellschaft/artikel-detailansicht/43503-generationen-werden-erfund...

Link zu einem thematisch ähnlichen Artikel (Republik: Sie glauben, Boomer haben die Welt zerstört und Gen Z ist faul? Generationen-Labels liefern viele Schlagzeilen – aber das ist auch das Einzige, worauf man sich dabei verlassen kann.): https://www.republik.ch/2024/06/24/besser-wissen-sie-glauben-boomer-haben-die-welt-zerstoert-und-gen...

#GenerationenMythos #Einzigartigkeit #HannesZacher #Arbeitswelt #ZukunftDerArbeit

Behandlung von ADHS kann auch depressive Symptome verbessern!

Aus der Forschung:
Behandlung von ADHS kann auch depressive Symptome verbessern!

-> Neue Studie zur Behandlung von Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) bei Erwachsenen!
Eine retrospektive Überprüfung von Krankheitsakten hat einen spannendes Einblick geliefert: Behandlung von ADHS könnte auch depressive Symptome verbessern!

In einer Untersuchung wurden Erwachsene mit ADHS behandelt, ohne direkt auf ihre Depression einzugehen. Stattdessen konzentrierte sich die Behandlung auf die ADHS mit einer Kombination aus Medikamenten und psychotherapeutischen Interventionen.

  • Nach drei Monaten zeigten viele Patienten eine Verbesserung sowohl ihrer ADHS- als auch ihrer depressiven Symptome! ????????
  • 7️⃣5️⃣% der Patienten hatten eine Verbesserung der ADHS-Symptome, und mehr als die Hälfte erlebte eine Verbesserung der depressiven Symptome. 

Diese Erkenntnis ist vielleicht nicht verwunderlich, aber wichtig:
  • einer Depression kann eine ADHS zugrunde liegen
  • eine Behandlung der ADHS kann somit die Ursache und nicht «nur» die Folgen angehen

Link zur Studie: https://assets.cureus.com/uploads/original_article/pdf/211870/20240402-28676-p2w0xv.pdf

ADHS-Mythos: «ADHS hat es doch früher nicht gegeben, das ist doch eine Modeerscheinung» 

Manchmal stosse ich auf die Aussage: «ADHS hat es doch früher nicht gegeben, das ist doch eine Modeerscheinung» 

Gibt es die ADHS (Aufmerksamkeits-Hyperaktivitätsstörung) wirklich erst seit kurzem?

Nein
, die ersten Erwähnungen liegen sogar einige Zeit zurück. Hier ein kleiner geschichtlicher Abriss (Faraone et al., 2021; Lange, Reichl, Lange, Tucha & Tucha, 2010; Taylor, 2011; Weikard, 1799):
  • 1775: Melchior Adam Weikard, ein deutscher Arzt, lieferte die erste lehrbuchmässige Beschreibung einer Störung mit den Merkmalen von ADHS.
  • 1798: Alexander Crichton vom Royal College of Physicians im Vereinigten Königreich beschrieb eine ähnliche Störung in einem medizinischen Lehrbuch.
  • 1845: Heinrich Hoffmann, später Leiter der ersten psychiatrischen Klinik in Frankfurt/Main, beschrieb Hyperaktivität und Aufmerksamkeitsdefizite in einem Kinderbuch.
  • 1887-1901: Désiré-Magloire Bourneville, Charles Boulanger, Georges Paul-Boncour und Jean Philippe beschrieben ein Äquivalent von ADHS in französischen medizinischen und pädagogischen Schriften.
  • 1902: George Still, ein Arzt im Vereinigten Königreich, äusserte sich erstmals über die Störung in einer wissenschaftlichen Zeitschrift.
  • 1907: Augusto Vidal Perera schrieb das erste spanische Handbuch der Kinderpsychiatrie und beschrieb die Auswirkungen von Unaufmerksamkeit und Hyperaktivität bei Schulkindern.
  • 1917: Der spanische Neurologe und Psychiater Gonzalo Rodriguez-Lafora stellte die Symptome von ADHS bei Kindern dar und nahm an, dass sie wahrscheinlich durch eine genetisch bedingte Hirnstörung verursacht wurden.
  • 1932: Franz Kramer und Hans Pollnow aus Deutschland äusserten sich ausführlich über ein ADHS-ähnliches Syndrom und prägten den Begriff «hyperkinetische Erkrankung».
  • 1937: Charles Bradley aus den USA entdeckte, dass ein Amphetamin-Medikament ADHS-ähnliche Symptome lindert.
  • 1940er: ADHS-ähnliche Symptome wurden bei Kindern als «minimale Hirnfunktionsstörung» beschrieben.
  • 1956-1958: Erster Hinweis in einer Längsschnittstudie zur Persistenz von Verhaltensweisen, die mit minimalen Hirnfunktionsstörungen verbunden sind, bis ins Erwachsenenalter.
  • 1960er: Die U.S. Food and Drug Administration genehmigte Methylphenidat (Ritalin) für Verhaltensstörungen bei Kindern.
  • 1970er Jahre bis heute: Diagnostische Kriterien für ADHS entwickelten sich auf der Grundlage von Forschungsergebnissen, die bis heute zeigen, dass die Diagnose das Ansprechen auf die Behandlung, den klinischen Verlauf und die Familiengeschichte der Störung vorhersagt.

Interessiert an noch mehr Fakten über die ADHS? Diese gibt es auf der Homepage der «ADHD World Federation» https://www.adhd-federation.org und in meinem ADHS-padlet: https://padlet.com/werner_krammel/ads_adhs 


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Quellenangaben:
Faraone, S. V., Banaschewski, T., Coghill, D., Zheng, Y., Biederman, J., Bellgrove, M. A. et al. (2021). The World Federation of ADHD International Consensus Statement: 208 Evidence-based conclusions about the disorder. Neuroscience & Biobehavioral Reviews, 128, 789–818. https://doi.org/10.1016/j.neubiorev.2021.01.022

Lange, K. W., Reichl, S., Lange, K. M., Tucha, L. & Tucha, O. (2010). The history of attention deficit hyperactivity disorder. ADHD Attention Deficit and Hyperactivity Disorders, 2(4), 241–255. https://doi.org/10.1007/s12402-010-0045-8

Taylor, E. (2011). Antecedents of ADHD: a historical account of diagnostic concepts. ADHD Attention Deficit and Hyperactivity Disorders, 3(2), 69–75. https://doi.org/10.1007/s12402-010-0051-x

Weikard, M. A. (1799). Der philosophische Arzt. 3 Philosophische Arzeneykunst oder von Gebrechen der Sensationen, des Verstandes, und des Willens. Frankfurt am Main: in der Andreäischen Buchhandlung.



Rezension zu «Weg» von Rina Jost

Rina Josts Comic «Weg» ist ein einfühlsames und bewegendes Werk, das sich mit den den Themen Depression, Angststörung und Suizid auseinandersetzt. Mit seinen 103 Seiten richtet sich dieses Buch an Lehr- und Fachpersonen, schulpsychologische Dienste, Familien, Betroffene von Depressionen und deren Angehörige, sowie Leserinnen und Leser ab etwa 12 Jahren. «Weg» ist ein Buch, das nicht nur aufgrund seines Inhalts, sondern auch aufgrund seiner Ansprache an verschiedene Zielgruppen bemerkenswert ist.

Die Geschichte entfaltet sich um Malin, deren Welt aus den Fugen gerät, als ihre Schwester Sybil plötzlich verschwindet und zu Stein wird. Dieser symbolische Akt markiert den Beginn einer emotionalen Reise, auf der Malin Sybil in eine geheimnisvolle Welt folgt, um sie zu finden und gemeinsam nach Hause zurückzukehren. Dabei geht es nicht nur um das physische Wiedersehen zweier Schwestern, sondern auch um die Wiederherstellung des emotionalen Gleichgewichts in einer von psychischen Herausforderungen geprägten Realität.

Rina Jost gelingt es, die vielschichtigen Auswirkungen von Sybils psychischer Gesundheit auf ihr Umfeld auf einfühlsame Weise zu thematisieren. Die Autorin zeigt, wie psychische Gesundheit nicht nur die Betroffene selbst betrifft, sondern auch ihre Familie und Freundinnen. Die Zeichnungen und Dialoge in «Weg» sind sorgfältig gestaltet und vermitteln die emotionalen Nuancen der Charaktere auf beeindruckende Weise.

Besonders bemerkenswert ist die Art und Weise, wie das Buch Empathie und Feinfühligkeit in den Mittelpunkt stellt. Es erzählt die Geschichte einer Depression aus der Sicht der Schwester, was dazu beiträgt, die Erfahrungen und Emotionen von Angehörigen und Freunden besser zu verstehen. Die Leserinnen und Leser werden in Malins Perspektive hineingezogen und können die Gefühle und Gedanken, die mit der Herausforderung der psychischen Gesundheit einhergehen, nachvollziehen.

Ein weiterer Pluspunkt von «Weg» ist das bereitgestellte Zusatzmaterial online, darunter Gesprächsideen zum Buch und zur psychischen Gesundheit. Die visuellen Metaphern der Autorin bieten tiefe Einblicke in ihre künstlerische Schöpfung und helfen dabei, die Symbolik im Buch besser zu verstehen. Zudem werden nützliche Fach- und Anlaufstellen in der Schweiz, Deutschland und Österreich zur Verfügung gestellt, was dieses Buch zu einer wichtigen Ressource für diejenigen macht, die Unterstützung oder Informationen im Zusammenhang mit psychischer Gesundheit suchen.

Insgesamt ist «Weg» von Rina Jost ein einfühlsamer und informativer Comic, der auf sensible Weise die Herausforderungen der psychischen Gesundheit beleuchtet und dabei Empathie und Verständnis fördert. Es ist ein Werk, das nicht nur gelesen, sondern auch diskutiert und geteilt werden sollte, um das Bewusstsein für diese wichtigen Themen zu stärken und Unterstützung anzubieten.

ISBN 978-3-03731-253-7 120 Seiten, farbig 18.5 × 26 cm, Hardcover

Bildnachweis: @ Rina Jost / Edition Moderne

Homepage: https://www.editionmoderne.ch/buch/weg